Lottemarie Siemers

Jürgen hat noch eine Email geschickt:
Anbei Urkunden aus dem Dritten Reich – die stammen aus dem Nachlass von Lottemarie Winkelholz (Witwe von Otsch Siemers und Mutter von Mituserin Christel Gerresheim). Frau Winkelholz ist im jetzt Januar hochbetagt, nämlich kurz vor Vollendung des 90. Lebensjahres, leider verstorben.

Admin: Die Urkunden sind weiter unten zu sehen, zunächst Fotos und Email vom 1. 12. 2009:

Jürgen Jürgensen:

Hallo Gerd,

heute morgen habe ich eine echte Rarität in die Finger gekommen, die ich Dir nicht vorenthalten möchte. Es handelt sich um ein 06-Mannschaftsfoto aus etwa 1920, das mein Fußballerherz natürlich gleich höher schlagen ließ.

Die Geschichte über das Auftauchen des Fotos erfüllt manches Klischee: Es lag vermutlich jahrzehntelang hinter dem Wohnzimmerschrank einer alten Dame in Schleswig, die gerade (vom Brautsee, glaube ich) ins Altenheim Königstraße umgezogen ist. Gefunden wurde das Foto jetzt die Tage von der Tochter mit Mann, die beim Umzug in SL geholfen haben. Die beiden Letztgenannten wohnen in meiner Nachbarschaft und sind Freunde von mir. Vor vielen Jahren haben die Tochter und ich zufällig festgestellt, dass wir beide aus Schleswig stammen. Daher die Verbindung.

Die genannte alte Dame (Lottemarie Siemers, Jahrgang 1921) ist im Übrigen die Witwe des legendären Ottsch Siemers (Jahrgang 1900), von dem in Deiner HP ja schon ausführlich die Rede war.

Und hier noch ein wenig Hintergrund zu einigen Personen auf dem Foto:
Ottsch Siemers sitzt ganz rechts auf der Mauer. Er war bekanntlich Sportsmann durch und durch. Nicht nur als Fußballer. Wie man weiß, hat Ottsch als begeisterter Schwimmer und Schwimmlehrer die Geschichte des Luisenbades mitgeprägt. Mein Vater und er waren, nebenbei bemerkt, nicht nur Jugendfreunde, sondern auch viele Jahre lang Arbeitskollegen im Arbeitsamt Schleswig. Ottsch starb 1979.

Unten links neben dem Torwart sitzt Martin Winkelholz, der Vater von Lottemarie Siemers und Opa meiner Nachbarin. Ottsch war also mit seinem späteren Schwiegervater bei 06 in einem Team. Lottemarie und Ottsch hatten bereits je eine Ehe hinter sich und keine gemeinsamen Kinder. Ottsch war kinderlos, Lottemarie hatte aus erster Ehe zwei.

Auf dem Foto oben links steht ein gewisser Möller (den Vornamen habe ich nicht). Er und seine Frau verstarben früh. Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor. Ottsch Siemers hat diese vier Kinder seines Mannschaftskameraden Möller als Vormund gemeinsam mit seiner ersten Frau groß gezogen. Der jüngste Pflegesohn von Ottsch, Horst Möller, lebt heute mit unserer Lottemarie unter einem Dach im Altenheim Königstraße. So schließt sich der Kreis bei diesen Beteiligten.

Im Übrigen tüftele ich noch an den Namen auf dem Foto. Die Beschriftung unten drunter ist weitgehend unleserlich.

Gruß Jürgen

Jürgen Jürgensen:
Hallo Gerd,

wie sind so die Schneeverhältnisse? Man merkt ja, dass Du außer Haus bist. Es herrscht ein wenig Funkstille.

Damit sich das ändert, maile ich Dir als Anhang nochmal zwei alte 06-Fotografien, die hier beim Stöbern aus dem Bestand unserer Lottemarie Siemers (der Witwe von Ottsch) ebenfalls aufgetaucht sind.

Die Fotos stammen ursprünglich von Lottemaries Vater Martin Winkelholz, der kurz nach der Gründung des Vereins offensichtlich viele Jahre lang in der 06-Liga gespielt hat.

Das heute angehängte Foto von etwa anno 1920 zeigt viele Spieler, die bereits auf dem ersten Foto zu sehen sind. Martin Winkelholz ist diesmal in der oberen Reihe Zweiter von links.

Der Knaller schlechthin ist jedoch die gleichfalls angehängte Ansichtskarte mit “Gruß aus Schleswig”, auf der die 06-Liga von 1911 zu sehen ist. Als ich diese Rarität gestern erstmalig in Händen hielt, hat mich die Qualität richtig umgehauen.

06 als Ansichtskarte – das hätte ich nicht für möglich gehalten! Man kann die einzelnen Personen gut erkennen. Martin Winkelholz ist Vierter von links, hat also (gemessen an den Fotos von 1920) mindestens zehn Jahre lang in der Liga gespielt.

Und dann diese schneidige Lässigkeit der Jungs nach englischem Vorbild. Einfach klasse! Der Zeitgeist sei mal dahin gestellt. Der Stil bei den Trikots ist mit dem heutigen durchaus vergleichbar. Hemd raus über der knielangen Hose. So laufen die heute auch wieder rum. Wiederholt sich also alles.

Damalige Sportberichte in der SN (zu sehen im Jubiläumsheft von 06) waren übrigens auch ans Englische angelehnt. Man berichtete von Goals, vom Keeper, von Backs, von Halftime und dergleichen.

Da die Ansichtskarte fünf Jahre nach der Entstehung des Vereins gemacht wurde, kann man davon ausgehen, dass neben dem Team etliche Gründungsmitglieder abgebildet sind. Wahrscheinlich zählen einige der Herren in Zivil oder Uniform dazu.

Gespielt hat 06 damals auf dem Schloßplatz, auf der Freiheit und an der Allee hinter dem Chemnitz-Bellmann-Denkmal. Auf der Freiheit hatte 06 anfangs ein Stadion.

Vereinslokal war das “Fährhaus Freiheit”. Vor dieser Lokalität entstand auch die Ansichtskarte, was aus anderen Aufnahme zu schließen ist.
Gruß Jürgen

Jürgen Jürgensen:
Obwohl das Thema 06 offenbar nicht mehr so der Bringer ist, drängt es mich, zu den obigen Fotos noch ein wenig Hintergrund zu liefern.

Und zwar: Zwischen den Fotos 1911/1920 existierte 06 so gut wie überhaupt nicht mehr. Während des Ersten Weltkrieges 1914-18 gab es keinerlei Aktivitäten. Vor dem Krieg zählte 06 einige hundert Mitglieder.

In einem ersten Treffen beschlossen acht 06er am 15.01.1919, mit dem Fußballspielen wieder zu beginnen. Es kamen dann noch andere Abteilungen hinzu (Leichtathletik, Schwimmen etc.), und 1921 zählte der Club schon wieder über 400 Mitglieder.

Interessant finde ich noch, dass 1910 schwarz/weiß (die Preußen-Farben) für die Spielkleidung festgelegt wurde. 1923 beschloss man, fortan in den Farben Schleswigs (blau/rot) zu spielen. 1925 wurde das aber schon wieder geändert. Seitdem gilt bis heute schwarz/weiß.

Jetzt die Urkunden:

Jürgen: Mir ist bei Betrachtung der Papiere aufgefallen, dass zum Beispiel die Sport-Urkunde vom 24. Juni 1933 (links) schon das Hakenkreuz zierte, obwohl die Urkunde noch das Faksimile von Hindenburg als Reichspräsident (die sogennannte ‘große’ Urkunde) trug. Nach der Machtübernahme im Januar 1933 hatten es die Nazis mit der
Verbreitung ihrer Symbole auf Orden und Urkunden wohl ziemlich eilig.

Im Juni 1934 waren auf der ‘kleinen’ Urkunde die Faksimiles des von Schirach und des von Tschammer und Osten natürlich schon obligatorisch, während auf der ‘großen’ Urkunde noch Hindenburg als Reichspräsident gezeichnet haben dürfte, der im August 1934 starb.

‘Große’ und ‘kleine’ Urkunden sind ja wohl noch heute gebräuchlich.

Admin: Soso, mit 15 Jahren durfte die Schülerin Lottemarie schon nach Kulmbach! Das war doch was! Das ganze im Schatten der Plassenburg, in der sich damals die Reichsschule der Deutsche Technik (s. Link) befand.

Am 31.8.1939, einen Tag vor dem Überfall auf Polen, die Einberufung für den Flugmelde- und Luftschutzwarndienst.

Lottemarie wohnte damals in der Hermann Göringstr. 94 – der Schubystraße.

Der Bescheid über die Freistellung vom Reichsarbeitsdienst von Oktober 1939

Reichsberufswettkampf der deutschen Jugend bzw. aller schaffenden Deutschen 1937, 1938 und 1939 in Berlin…

“Im Dienste des Rechts” – Lottemarie hatte am 10. 3. 1940 ihre Prüfung als Rechtsanwalts- und Notargehilfin bestanden.


1.410 Ansichten

10 Gedanken zu „Lottemarie Siemers“

  1. Hallo Gerd,

    obwohl das Thema 06 offenbar nicht mehr so der Bringer ist, drängt es mich, zu den obigen Fotos noch ein wenig Hintergrund zu liefern.

    Und zwar: Zwischen den Fotos 1911/1920 existierte 06 so gut wie überhaupt nicht mehr. Während des Ersten Weltkrieges 1914-18 gab es keinerlei Aktivitäten. Vor dem Krieg zählte 06 einige hundert Mitglieder.

    In einem ersten Treffen beschlossen acht 06er am 15.01.1919, mit dem Fußballspielen wieder zu beginnen. Es kamen dann noch andere Abteilungen hinzu (Leichtathletik, Schwimmen etc.), und 1921 zählte der Club schon wieder über 400 Mitglieder.

    Interessant finde ich noch, dass 1910 schwarz/weiß (die Preußen-Farben) für die Spielkleidung festgelegt wurde. 1923 beschloss man, fortan in den Farben Schleswigs (blau/rot) zu spielen. 1925 wurde das aber schon wieder geändert. Seitdem gilt bis heute schwarz/weiß.

    Gruß
    Jürgen

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  2. Hallo Jürgen, hast Du diese Informationen aus dem Jubiläumsband ? Ich hatte Gelegenheit im Sommer beim Besuch eines früheren Liga-Spielers da mal einen Blick rein zu werfen. Allerdings habe ich den Eindruck, daß es im Verein keine richtige Öffentlichkeitsarbeit gibt – siehe Internet und wohl auch kein Archiv ..

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  3. Hallo Torsten,

    meine allgemeinen Infos habe ich aus verschiedenen Quellen, eben auch über Ottschs Witwe, die bald 90, aber geistig noch frisch ist.

    Zum Abgleichen liegt mir die Jubiläumsschrift vor. Die ist relativ ergiebig.

    Deinen Eindruck über die aktuelle Datenpflege bei 06, speziell in puncto Öffentlichkeitsarbeit, kann ich nur bestätigen. Beispiel: Meine Nachbarin (Ottschs Stieftochter) hat 06 das alte Fotomaterial sowohl telefonisch als auch per Mail unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Null Resonanz.

    Telefonisch war weder Kompetenz noch Interesse erkennbar, auf die Mail gab es überhaupt keine Reaktion.

    Um es mal ganz allgemein und vorsichtig auszudrücken: Nach meiner Erfahrung setzen die sogenannten Traditionsclubs heute andere Prioritäten. Sportlich wie administrativ geht die Qualität schleichend seit vielen Jahren den Bach runter. Fachleute wie der kürzlich erwähnte Detlev Hinrichs wollen sich einen Trainerjob zB gerade unter diesen Umständen vermutlich nicht mehr antun. Da muss man einfach nur mal zwischen den Zeilen lesen.

    Auch in Sportvereinen erkennt man (mit löblichen Ausnahmen) den heutigen Zeitgeist: Selbstdarstellung auf Armenniveau, viel Feiern, wenig Einsatz.

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  4. Hallo Jürgen, ich habe in den 60ern das
    sportliche Leben bei 06 mit Zeitungsausschnitten gesammelt: von der Einweihung des “Jugendheimes” bis zu meinem Abgang nach Bremen 1972 – also mit allen 3 Aufstiegsrunden. Darauf gekommen bin ich, weil unsere Nachbarin Uschi Halx (richtig geschrieben ??) den 06-Schaukasten beim Hohenzollern mit Nachrichten gefüttert hatte. Ich habe zwar vieles entsorgt, aber der 06-Ordner steht immer noch im Schrank. Daraus resultiert letztlich auch, daß ich in meinem Tennis-Verein in Bremen seit 1994 das Archiv führe – ich finde, so etwas gehört einfach dazu.

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  5. Hallo Torsten,

    sehe ich genauso wie Du. Aber da das Leben der heutigen Generation nach meinem Eindruck weitgehend von “ultimativen kicks” bestimmt wird, geht das Maß an Nachhaltigkeit, das wir beide und die meisten anderen hier auf dieser HP kennen, immer mehr verloren. Das scheint auf alle gesellschaftlichen Bereiche zuzutreffen.

    Aber vielleicht plagt mich bei dieser Wahrnehmung ja unbewusst schon die Senilität, die ich in meiner Jugend selbst bei den Alten beklagt habe.

    Apropos Tennis: 1980 gab es in meinem kleinen Club hier 170 Aktive, heute sind wir noch 40 mehr oder weniger alte Säcke. Bald können wir das Licht ausmachen. Unter dem Trend leiden wohl die meisten Clubs. Der Boom entpuppt sich mehr und mehr als Zeiterscheinung.

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  6. Hallo Jürgen, das Problem kenne ich hier auch, davor bleiben auch traditionsreiche große Vereine nicht verschont (z.B. Vegesacker TV nach fast, ich glaube, 80 Jahren pleite) – wir sind davon noch verschont, durch Aktivitäten im sportlichen wie auch im gesellschaftlichen Bereich (siehe http://www.tennis-rotweiss.de), aber man muß was tun …

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  7. Hallo Torsten, da das Freizeit-Angebot allgemein immer größer wird (bei uns wandern sie zB in Scharen vom Tennis zum Golf, in die vielen neuen Fitness-Clubs usw.), geht dem Tennis offensichtlich der Nachwuchs aus. Ich glaube, das lässt sich durch nichts mehr aufhalten.

    Die Tennis-Clubs haben größtenteils aber auch selbst Schuld, wenn sie kaputt gehen. Da gibt es Überkapazitäten, die auch in guten Zeiten kaum zu rechtfertigen waren, sondern aus reinem Prestige geschaffen wurden.

    Folgendes Negativbeispiel: Letztes Jahr waren wir in in dem kleinen Kaff Wahlstedt bei Segeberg zum Punktspiel. Dort gibt es eine riesige Geisteranlage. Da hat man wegen einstmals angeblich großen Zulaufs aus dem Umland 16 Plätze (!) gebaut, von denen 7 seit Jahren mangels Nachfrage nicht mehr bespielt werden und dem Verfall preisgegeben sind. Das gilt auch für das Clubgebäude mit Umkleiden und Duschen ohne Ende plus Kneipe. Der Verein hat sich längst davon getrennt und das Ganze privat vergeben. Da wurschtelt jetzt ein Neudeutscher herum, der wohl mehr schlecht als recht von Nutzungsgebühren und Kneipenumsatz lebt. Sowas Trostloses hatte ich in der Szene vorher noch nie gesehen. Aber so kann das kommen…

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  8. Gaaanz einfach, Wolfgang!
    Das waren all diejenigen, die es geschafft haben, ohne zu goebeln, die Schaffermahlzeit in Bremen zu überstehen!Dat hebbt wie een Glück schafft. :twisted:
    Naja, guck einfach mal bei Wiki nach. :-D

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