Begehung II

Begehungsneuauflage; Schleswig, am 16. Mai 2008; Hauptbahnhof 10:17 Eintreffen Wolfgang Kather.

Auf dem Bahnsteig: Norbert Neidebock und Gerd Tams. Für die LGS werden wir wohl keine Zeit haben. Weitere Vorschläge?

Wolfgang Kather: Ich hatte geglaubt, daß einige Leute, jedenfalls zeitweise, zu uns stoßen würden. Schade!

Gerd Tams: Vielleicht kommt ja noch eine Einladung auf eine Tass Kaff auf einer Schleswiger Terrasse per Kommentar rein? :.

Diese Postkarte schon mal zur Einstimmung Jungs! 1952 sind wir hier auch schon herum gestromert…

Sönke Hansen: Dann könnt ihr euch noch einmal das Stadt Hamburg anschauen, nach Aussage der Stadtverwaltung steht der Abriß unmittelbar bevor.

Torsten Hansen: Ihr könnt ja bei „Gosch“ mal das älteste Lokal der Stadt testen oder im „Schloßkeller“ bei einem Kaffee fragen, ob er nicht doch noch älter ist.

Benny Gutmann: Ihr müßt Euch auch dann einmal den neu gestalteten Stadthafen ansehen. Ich finde, daß der gut gelungen ist; jedenfalls erfreut sich die dortige Gastronomie regen Zuspruchs

Die Begehung:

Wir drei Männer machten uns bei schönstem Wetter zu Fuß auf den Weg und erreichten zunächst die höchste Höhe des Erdbeerenbergs. Aber leider ist dort kein Aussichtsturm mehr, so dass sich der Nachkriegsblick aus dieser Geschichte nicht mehr rekonstruieren ließ. Es fand sich aber ein schön grüner Weg runter vom Berg in Richtung Roter Elefant. Neben den alten Geschichten fand sich schnell ein aktuelles Thema: Durst!

Nichts lag also näher, als das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden. Wir entschieden also ohne Diskussion, die Geschichte des Schlosskellers zu erkunden und dort gleichzeitig ein Getränk einzunehmen. Das Projekt scheiterte aber auf der ganzen Linie, weil
der Keller noch zu war. Wären wir doch eine Viertelstunde später gekommen!

In Windeseile tauchte die Stampfmühle am geistigen Horizont auf und wurde unverzüglich als nächstes Ziel festgelegt.

Wie man hier links sieht, kamen wir der Mühle schon näher. Wolfgang, der vieles als „Gedienter“ durch die verteidigungspolitische Brille sieht, erinnerte uns an den Schießstand (linker Hand) und an die seinerzeit zerbrochenen Wasserspieltiere. Die Tommies wären damals mal so eben mit
dem Tank über die Löwen gefahren – und kaputt waren sie. Und dann kamen die damals im Burggraben wiedergefundene WII-Waffen ins Gespräch und der Schülerschuss mit einer WII-Pistole, der Schleswig damals für ein paar Tage aus dem Dornröschenschlaf erweckte.

Ein paar Schritte weiter fragte Norbert: „Ja wo ist denn jetzt der Twistschuppen?“. Nix Stampfmühle (alias Twistschuppen), nur Seniorenresidenz und nochmal Seniorenresidenz. Aufgrund der von mir durch das Studium der Schleswiger Nachrichten erworbenen
Ortskenntnisse, wusste ich, dass man die Stampfmühle noch finden kann. Sie ist hinter der Residenz versteckt. Einsam lag sie da, die Stampfmühle. Zwei Seniorinnen saßen in der Sonne und ignorierten uns. Den Durst konnten wir nicht löschen – weil – erst ab 14 Uhr. Die nah gelegene Minigolfanlage war übrigens auch zugekettet. Geöffnet ab – hab ich jetzt vergessen…

Es war eine neue Strategie zu entwickeln, die das Flüssigkeitszufuhr- und -ablassproblem zu berücksichtigen hatte. Wir entschieden uns, wiederum einstimmig, die Alleeroute einzuschlagen, die alte BLS zu tangieren, bis zum Thingplatz vorzustoßen, bei der Lornsenschule zum Lollfuß
abzusteigen, um dann im Patio aufzuschlagen. Die beigefügten Fotos dokumentieren, dass dieser Plan durchgeführt werden konnte und zum ersehnten Ziel führte.

(Wolfgang hat uns nicht verraten, was er von dem Baum wollte. Wir vermuten, dass er ein eingeritztes Herz mit seinen Initialen suchte…)


Das Patio war in der Lage, unsere Bedürfnisse zu befriedigen.

Nach einer halben Stunde konnten wir – doppelt befriedigt – unseren Weg fortsetzen.



Wir nahmen die Direttissima durch das pulsierende Herz der Schleswiger Geschäftwelt. Nichts konnte uns aufhalten, weil das Grauen uns weitertrieb. Die Baulücke Nr. 62, das alte Firmenschild von Hullmann, die Werbung von Schleswig 06, den noch erhaltenen Eingang der
früheren Volkshochschule und den Blick in die Passage, wo früher hinten rechts eine Kneipe war, in der Norbert vom Wirt Selbstgebranntes konsumierte, haben wir noch schnell geknipst. Das ganze endete dann mit dem Knalleffekt, dem verschandelten Gallberg.

Doch frisch ans Werk. Wir ließen es uns nicht verdrießen und wanderten weiter in Richtung Stadthafen, unserem auftragsgemäßen Fernziel. Norbert wollte das von ihm in einem Buch gefundenen Motiv aus der Schlachterstraße wieder finden. Wir haben es gefunden, auch
wenn man ziemlich genau hinsehen muss. Ein Tipp: Der neue Zustand ist in Farbe auf dem Foto rechts dargestellt!

Hier noch zwei nachgelieferte Fotos…


Auf dem Weg zum Malerwinkel am Mühlenbach dokumentierten wir noch zwei markante Beispiele für die Kunst, alte Häuser mit Fassadentechnik in einen definitiv hässlichen Zustand zu versetzen.

Der Weg weiter, irgendwie in der Nähe des Holmer Noors und der alten Kreisbahnbrücke und dann zum Grauen Kloster und Rathaus hin, war so richtig schnuckelig. Auch zum Holm hin gab es nichts zu meckern. Alles ansichtskartenfähig. Wir durften Touristen den Weg zum Holm
zeigen. Den haben wir dann ausgelassen und den neuen Hafen angesteuert (Foto rechts).

Und noch zwei Bilder, bitteschön. Auf dem einen Bild ist das Jürgen-Drews-Mobbelkom-Gedächtniszelt zu sehen (hier noch mal von gegenüber). Sehr chic! Um unseren Ruf als Meckerpötte zu zementieren, sei jetzt verraten, dass wir das Gastronomieangebot auf dem
Hafenareal verschmähten (Originalton Norbert: „Ich lauf hier doch nicht mit dem Teller durch die Gegend!“).

Auch die professionelle Durchsage „Nr. 32, Nr. 32 bitte!“ mag etwas Abschreckendes gehabt haben. Wir betraten das straßenjenseitige Olschewski, aßen seriös und etwas teurer und verließen später zufrieden diese Stätte gastronomiekonservativen Friedens. Den neuen
Hafen fanden wir dann irgendwie „…touristisch aufgeräumt“ oder so. Alles sehr sehr sauber. Zu wenig Dreck mit anderen Worten. Tja, wir sind halt im Schmuddel groß geworden. Das prägt vermutlich.

Käptn Neidebock übernahm jetzt die Führung. Er kannte wohl bei Wolfgang und mir die verdauungsbedingte Blutleere im Gehirn und ging wie selbstverständlich ans Ruder. Unter der glühenden Sonne durchfurchten wir die Plessenstraße, notierten die traurigen Rudimente der Gleisanlage der Kreisbahn, gönnten Wolfgang (dem alten Gewerkschafter)

einen Blick auf die SPD-Zentrale und gelangten durch den Geheimgang über den Kornmarkt zum Mühlenbachgang in Richtung Polierteich.

Der Fußweg hoch zum Polierteich ist wirklich schön. Man wohnt dort wohl ruhig und angenehm. Der Polierteich war in meiner Jugend ein stinkender Tümpel. Das ist jetzt ganz anders. Die Fassade (rechts) kann den Gesamteindruck nicht verderben. Gelle?

So, und jetzt kamen wir zur Spielwiese unserer Kindheit, „der Anstalt“. Dazu ist im „Klassentreffen“ schon einiges gesagt worden. Die beiden Fotos zeigen, dass es immer noch schön grün ist und dass das Gelände – und das ist jetzt neu – einen Puff
aufzuweisen hat.

Der Wasserturm, der jetzt kein Wasserturm mehr ist, soll als lockendes Symbol vom Puff dazu gemietet worden sein (ein kleiner Scherz darf doch hier erlaubt sein…).

Flott ging es jetzt weiter am Bach entlang, an „meinem“ Baum vorbei, einen ganz schmalen Fußweg hoch nach „Drei Kronen“, dann rechts rum zum Moldeniter Weg – und schwupps landeten wir bei „Fiete“ in der Werkstatt. Hier hat früher Norberts Großvater den Schmiedehammer geschwungen.
Fiete erzählte uns, dass am Tag vor unserem Besuch 14(!) Kumpels in der Werkstatt gesessen hatten um

sich auf ein traditionelles Power-Spiegelei-Essen vorzubereiten, das bei einem anderen Kumpel stattfand. Gerhard Neugebauer und Wilfried Pirschel waren auch dabei. Fiete repräsentiert den Ur-Schleswiger mit Leute-Kenn-Automat-Knopf. Nennst Du einen Namen kommt die
Auskunft, dass er „X“ gestern mit Frau und Hund beim Einkaufen

getroffen hat. Nach der Werkstatt zogen wir noch mal von wegen der Sonne in den Innenhof um, haben schön geklönt, wurden gut versorgt (vielen Dank nochmal an Fiete+Frau) und verließen dann durch die Werkstatt wieder den gastlichen Ort.

Den Weg zurück zum Bahnhof haben wir dann im Geschwindschritt bewältigt. Durch die Anstalt (mal wieder), am Stadtfeld vorbei (auch so eine Bau-Sch…), durch die Angelner Straße (wo sind die Bäume?), durch die Schuby- und Bellmannstraße, an der Mittelschule vorbei, die Lollfußtreppe runter, Stadt Hamburg vielleicht zum letzten Mal gesehen, an der „Schleihalle“ vorbei („Investoren gesucht“ – immer noch) und durch die renovierte Friedrichstraße zum Bahnhof. – Das wars.

Hier die fotografischen Beweise:


Falk Ritter hat sich an die Begehung I erinnert und hat zwei Tage nach der Begehung II eine kleine Ergänzungsbegehung veranstaltet. Diese beiden Fotos belegen, dass im Marienbad etwas passiert. Damit wird wahrscheinlich wahr, was aus „sehr gut unterrichteten Kreisen“ zu
hören war…

…und hier ist die Wahrheit!

1.701 Ansichten

10 Gedanken zu „Begehung II“

  1. Ich wünsche euch viel Spaß bei der Begehung.

    Dann könnt ihr euch noch einmal das Stadt Hamburg anschauen, nach Aussage der Stadtverwaltung steht der Abriß unmittelbar bevor.

    Sönke

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  2. Ebenfalls viel Spaß in meiner alten Heimatstadt wünsche ich Euch aus Bremen.
    Ihr könnt ja bei „Gosch“ mal das älteste Lokal der Stadt testen oder
    im „Schloßkeller“ bei einem Kaffee
    fragen, ob er nicht doch noch älter ist.
    Torsten

    Antworten
  3. Ihr müßt Euch auch dann einmal den neu gestalteten Stadthafen ansehen. Ich finde, daß der gut gelungen ist; jedenfalls erfreut sich die dortige Gastronomie regen Zuspruchs
    Benny

    Antworten
  4. In Köln ist es jetzt 8:10 Uhr. Ich hoffe, die Schleswig-Verunsicherer sind schon aufgestanden, haben sich gewaschen, die Zähne geputzt und sich ein ausgiebiges Frühstück genehmigt, am besten mit Ölsardinen.
    Ab 10:17 Uhr wünsche ich Euch viel Spaß und gestehe, ich bin etwas neidisch.

    Gruß
    Rainer

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  5. Wenn sich schon keiner meldet:
    Meine Gratulation zu diesem Rundgang
    durch Geschichte und Gegenwart unserer
    Heimatstadt !
    Da habt Ihr ja eine schöne Strecke abgelaufen (oder war da noch ein Taxi?),
    alle Achtung!

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  6. betreff: Passage am Stadtweg! Das war die Pinte mit dem braunen Bären-oder Kuhfell ! Oft kam auch meine Cousine Renate aus Neumünster mit. Vielleicht erinnert sich jemand?

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