Update: Ich habe das „Schleswig-Holsteinische Wander- und Reisebuch“ nunmehr in der Auflage von 1925 erstanden und festgestellt, dass sich doch so manches geändert hat. Diese Änderungen habe ich in den nachfolgenden Text „eingebaut“ und auch einige Fotos hinzugefügt.
Ermuntert durch Lutz‘ Lob und das schlechte Wetter, mache ich jetzt mal aus dem Wanderführer von 1905 mit dem Text zu „Die Stadt Schleswig“ weiter. Mal seh’n was Küche und Keller so hergeben.
Vorweg ein wertvoller Tipp aus dem Wanderführer:
Für Waldwanderungen ist die Mitnahme eines Kompasses geraten. – Die Stechfliegen, deren Biß gefährlich werden kann, werden oft im Walde zu einer fast unerträglichen Plage. Durch ein Nackentuch und durch Fächeln vermag man sie zur Not abzuwehren; ein ausgezeichnetes Mittel ist es, unter aufgespanntem Schirm zu rauchen!
1925 wird offenbar auf Gastronomie und Übernachtung hingewiesen:
Schleswig (16000 Ew.) ist Sitz der Regierung von Schleswig-Holstein. Gasthöfe: 1. in der Nähe des Bahnhofs: Untiedts Hotel, Hotel Friedrichsberg; 2. in der Altstadt: Stadt Hamburg, Timmkes Gasthof, Ravens Hotel, Spenglers Hotel (gelobt). 1. Für längeren Aufenthalt: „Stampfmühle“, und „Waldmühle“ (am Anfang des Tiergartens).
„Waldschlößchen“ (bei Annettenhöh); „Ziegelei“
2. Jugendherbergen (Moltkestr. Ecke Stadtweg, Flensburgerstr. 3) Schleswig (rund 20 000 Ew.) ist Sitz der Regierung von Schleswig-Holstein und des Oberpräsidiums. – Es liegen dort zwei Bataillone Infanterie und ein Husaren-Regiment.
1925: Die Einwohnerzahl ist auf 16000 geschrumpft und vom Militär wird nicht mehr geredet…
Die Stadt besteht aus drei Teilen; von Westen nach Osten gerechnet: Friedrichsberg, Lollfuß, Altstadt. – Da hier mit der Ankunft auf dem Wasserwege gerechnet wird, beginnen wir den Rundgang in der Altstadt, wo sich die Landungsbrücke befindet.
Hier gelangt man gleich zur bedeutendsten Sehenswürdigkeit der Stadt, dem Dom, der, unsprünglich (um 1100) als romanisches Bauwerk errichtet, später im gotischen Stile umgebaut wurde und in neuester Zeit den Turm erhielt. Eintritt Sonntags 11 1/2 – 1 1/2 Uhr, im Sommer auch 3 – 5 Uhr, unentgeltlich; – zu anderen Zeiten gegen ein Eintrittsgeld von 50 Pf. – Karten
beim Küster, der dem Südportal gegenüber, Süderdomstraße 11, wohnt. Führer von Prof. R. Haupt. Das Südportal, durch welches man eintritt, ist bemerkenswert duch die sog. Peterstüre aus dem 12. Jh.
Das wertvollste Stück unter den herrlichen Kunstschätzen ist das berühmte stätgotische Altarblatt von Hans Brüggemann, 1504 – 1520 angefertigt; 1666 von Bordesholm hierher geschafft.
Dabei ein Chorgitter, ein Meisterwerk spätgotischer Schmiedekunst aus dem Anfange des 16. Jhs. – Im östl. Seitenschiffe das prächtige Grabmal des 1533 als König von Dänemark und Norwegen uns als Herzog von Schleswig-Holstein gestorbenen Herrschers Friedrich I.,
von dem Antwerpener Künstler Jacob Brinck aus Marmor und Alabaster gefertigt. Weiter sind sehenswert die schöne Kanzel (von 1500), die aus einer nordstrandischen Kirche stammende Taufe (von 1480),
der 4 m hohe große Christophorus, die Gemälde des Rembrandt-Schülers Jurian Ovens, durch die J. A. Carstens, der Wiederbeleber der Antike, als Knabe die ersten Anregungen empfing u. a.
von besonderem Interesse ist auch der Runenstein (im südlichen Seitenschiff) der als christliches Denkmal um 1050 auf dem Domkirchenhofe errichtet worden ist und 1897 aus der Grundmauer des Domes hervorgezogen wurde. Er ist dem Gedächtnis eines Mannes geweiht, der auf einer Seefahrt starb und auf der Hebrideninsel Skye sein Grab
fand (Admin: Hab‘ noch kein Foto vom Runenstein gefunden. Das Foto l. soll die Stelle zeigen, wo früher der Domkirchenhof war.) Zur Seite des Hauptaltars ist der Eingang zur Fürstengruft (bei der Führung durch den Küster geöffnet) mit den Särgen der Gottorper Herzöge nebst denen ihrer Gemahlinnen u.a. Denkmälern. Hier wird auch die Mütze des ermordeten Königs Erich gezeigt und ein Stück der Kette, mit der man seinen Leichnam
beschwerte. (Admin: Sind Mütze und Kette noch da?) An der Nordseite des Domes – Eingang dem Südportal gegenüber – liegt der Kreuzgang („Schwahl“ von dän. svale = kühl), nach dem Dombrande von 1440 aufgeführt. Hier wurde Jahrhunderte hindurch der bedeutende Dommarkt abgehalten.
Der Turm des Domes ist zu besteigen (20 Pf.) großartige Aussicht! Sehr lohnend ist auch die genauere Besichtigung des großartigen Dachgestühls.
Vom Dom aus nach Osten erreicht man gleich den Holm, die Heimat der bekannten Schleifischer,
mit dem Holmer Kirchhof und dem St. Johanniskloster, dessen Gebiet „Klosterhof“ eine besondere Landgemeinde bildet; alte Kirche und sonstige Klostergebäude (adeliges Fräuleinstift). Am Ende des Weges die Fähre nach Fahrdorf, die dem Kloster gehört.
Vom Dom nach Norden gelangt man durch die Lange Straße und den Gallberg
zum Denkmal von J. A. Carstens (im benachbarten St. Jürgen geboren)
mit weitem Ausblick, der sich noch großartiger vom nahegelegenen Aussichtsturme, der sog. „Königskanzel“ bietet. – Hier in der Nähe auch die Provinzial-Irrenanstalt mit schönen Anlagen. Am Gallberg (No. 3) in einem alten Patrizierhause, dem sog. Bardenflethschen Stift, das sehr sehenswerte Altertümer-Museum. (Geöffnet Sonntags 11 1/2 – 12 1/2, Sonnabends 11 – 12, Mittwochs 3 – 5, für Fremde auch sonst.) – Namentlich Gegenstände, die Geschichte und Kultur
der Stadt und ihrer nächsten Umgebung betreffen: Pläne, Darstellungen und Ausgrabungen vom Danewerk und von der Oldenburg, Nachbildungen der Runensteine, Geräte und Möbel aus alten schleswigschen Haushaltungen, Trachten, Fayencen: Geräte der alten „Beliebung“; Besteck aus dem alten „Landgrafen-Gold“, vom Goldschmied Sager aus „Goldklumpen“ gefertigt, die der abergläubische Sonderling Landgraf Karl mit Hilfe des bekannten Abenteurers St. Germain hergestellt hatte. Viele
Gemälde von Schleswiger Künstlern, darunter das Richtersche Original vom „Möwenpreis“. Vom Gallberg nach Westen weiter über den alten Kornmarkt zum Stadtweg.
An diesen schließt sich der Lollfuß, wo das Denkmal für die Statthalter in der Erhebungszeit (W. Beseler und Graf Reventlow).
Dann führt der „Damm“ weiter zum Schloss Gottorp.
Es ist durchaus anzuraten, am Ende des Stadtwegs r. hinauf (Weiser: „Bellevue“) zu gehen
und dann l. in die Michaelisallee zu biegen. Hier l. das Kriegerdenkmal,
r. das Chemnitz-Bellmann-Denkmal (von Peterich) dem Dichter und dem Komponisten des Schleswig-Holstein-Liedes geweiht, das hier auf dem Hesterberge beim Sängerfeste des Jahres 1844 zum ersten Mal gesungen wurde. Man kann auf der Höhe weiterwandern (immer Aussicht) und,
über die Flensburger Straße hinweg, dann geradeaus ins Gehölz Tiergarten
und hier bei den Resten der Wasserkunst
l. abgehen zum Schloß Gottorp, dem größten ehemaligen Fürstenschloß des Landes.
Das ursprüngliche Gottorper Schloß ward hier (damals gehörte der jetzige Burgsee noch zu Schlei) im 12. Jh. von den Schleswiger Bischöfen gebaut, die hier wohnten,
während das Fürstenschloß, die Juriansburg, auf der Schleiinsel stand. Im nächsten Jahrhundert ward das Bischofsschloß von den Fürsten erworben. – Das jetzige Schloß ward vom Friedrich IV., dem Schlachtengenossen des kriegerischen Schwedenkönigs Karl XII., erbaut. 1925: 1917 brannte ein Teil ab; jetzt wieder hergestellt. Jetzt dient das Schloß als Kaserne; – die Besichtigung wird durch den Kasernenwärter vermittelt (50 Pf.).
Sehenswert ist die Schloßkapelle mit dem Fürstenstuhl, ausgezeichnet schöne Holzschnitz- und Einlegearbeit, im Anfange des 17. Jhs. von den niederdeutschen Meistern Salgen und Gower angefertigt. Von Schloß Gottorp südwärts über die Bahn, dann l. das sog. Kanonendenkmal, r. das Regierungsgebäude.
(Darauf gleich r. Weg auf die Höhe nach Annettenhöh,
in der Ostersonntagsschlacht des Jahres 1848 Schauplatz eines besonders erbitterten Kampfes, wobei die Dänen von den Preußen und Schleswig-Holsteinern – Bracklowsches Freikorps – über die Höhen zurückgeworfen wurden.) Auch den nun folgende Teil der Stadt zeigt noch manches Interessante, namentlich Erinnerungen an die letzten Kriege. Geradeaus längs der Friedrichstraße
zum Friedrichsberger Kirchhof mit Kriegergräbern (Hauptmann Delius)
weiter zum
Friedrichsplatze am Busdorfer Teich mit dem dänischen Denkmal am Platze einer zerstörten Schanze.
Von hier aus sieht man in der Niederung südöstlich vom Teich ein Stück vom Danewerk, den sog. Moordamm.
Auch in diesem Stadtteile ist (auf dem Erdbeerenberg – von der Bahnhofstraße ab) ein Aussichtsturm erbaut, von dem man einen weiten Ausblick genießt.
Zur Altstadt zurück gelangt man in 20 Min. mit der Straßenbahn, die alle 10 Min. von den Endpunkten (Bahnhof in Friedrichsberg, Rathausmarkt in der Altstadt) abfährt.
Sehr besuchenswert sind die schönen Gehölze Tiergarten und Pöhler Gehege:
Vom Schlosse Gottorp längs der nach Norden führenden Allee oder von der Michaelisallee geradeaus über die Flensburger Straße gelangt man zu der Stätte der von Friedrich III. begonnenen Anlagen, nach ihrer Fertigstellung „Neuwerk“ genannt.
Gleich vornan die Reste der alten Wasserkunst (1693 fertiggestellt), die von dem darüberliegenden Teiche gespeist wurde. Westlich davon lag der Globusgarten mit dem berühmten astronomischen Globus, durch Wasserkraft getrieben. (Er kam später nach Rußland und soll sich jetzt im Schlosse zu Zarskoje Selo
befinden.) Von hier bauten sich die Anlagen terrassenförmig auf bis zum Lusthause Amalienburg (auf dem Platze des jetzigen Garnisonlazaretts).
– Zwischen Lazarettgebäude und Straße der alte Militärfriedhof mit Kriegergräbern. Das Gehege Tiergarten, zu dem dieser Teil gehört, erstreckt sich 3 km weit nach Westen und bietet reizvoll Partien und Spaziergänge; das schöne Pöhler Gehege schließt sich daran an. (Genaue Beschreibung der Wege im guten Führer „Schleswig und Umgebung“ von Chr. Jensen.) Wie die Stadt, so ist auch die Umgebung von Schleswig reich an Stätten, die durch ihre geschichtliche Bedeutung von ganz besonderem Interesse sind. – Wendet man sich nach Süden und Südwesten, so trifft man auf gewaltige Denkmäler aus dem Altertum: die Stätte
der vergangenen Stadt Haithabu und die Reste der mächtigen Landwehr, des Danewerks; wandert man nach Norden, so erreicht man das so interessante Schlachtfeld von Idstedt mit der Waffenkammer und der Gedächtniskirche.
(Das war’s)
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