Kann das angehen?

Nach dieser Karte paradieren französische Alpenjäger „au Schleswig“ (übersetzt „bei Schleswig“) im Jahr 1920 vor dem dänischen König.

Könnte das in Schleswig sein?
Könnte sich der abgebildete Platz vor den „Liegehallen“ von Paulihof befinden?

Aus dieser Seite eines dicken dänischen Buches geht tatsächlich hervor, dass „franske Alpenjaegernes“ vom König besucht wurden.

Aus dem Text glaube ich herauszulesen, dass das fotografierte Geschehen eine Parade auf dem „Rosenborg Exercerplads i Köbenhavn“ darstellt. Es muss sich um das Jahr 1920 handeln. Dieser zeitliche Bezug geht aus dem dicken Buch eindeutig hervor. Im Text heißt es aber auch „Fra Sønderjylland„, was durchaus auf Schleswig hinweisen könnte…

Lässt sich eine Brücke zu dem Foto oben schlagen?

Ich denke doch, dass Jochen uns da etwas erklären kann…

Lutz:
Ich glaube, dass man hier Schleswig nicht mit der Stadt Schleswig gleichsetzen kann.

Hier ist das Konglomerat Schleswig als eigenständiger Begriff gemeint, das zum Zeitpunkt der Volksabstimmung am 10.02.1920 in zwei Zonen unterteilt war.

Somit bestand “Schleswig” (offizielle Bezeichnung) aus dem Stadtkreis Flensburg und den neun Landkreisen: Apenrade, Eckernförde, Eiderstedt, Flensburg, Hadersleben, Husum, Schleswig, Sonderburg und Tondern.

Wenn der König denn die Franzosen besucht hat, dann war es sicher in Schleswig – dem Konglomerat – aber in dem Landesteil, der der dänischen Krone nach der Abstimmung zufiel.

In dem deutsch gebliebenen Teil – und somit auch in der S t a d t Schleswig, hätte man nach der „Schmach von Versailles“ Franzosen nebst dänischem König bestimmt nicht geduldet.

Hier noch zwei Jubelfotos aus dem „dicken Buch“ von den Tagen nach der Abstimmung. Aus dem Text entnehme ich (neben „franske og engelske Soldater“) folgende Ortsbezeichnungen:

Landsdelen, Haderslev und Byen

Meine Google-gestützten Übersetzungsversuche ergaben für „Landsdelen“ die Bedeutung „Provinz“ und für „Byen“ „Stadt“. Daraus schließe ich ganz kühn, dass beide Fotos aus Hadersleben sind.

Also, ich glaube – mit Lutz – dass der dänische König zu der Zeit nie und nimmer nicht in der Stadt Schleswig gewesen ist…

Übrigens – König Christian war mit 1,99 Metern der größte dänische König der Geschichte!

Jochen:
So direkt gefragt will ich eher glauben, dass die fragliche Aufnahme aus der Reihe der Bilder aus Kopenhagen stammt; also den Exerzierplatz bei der Kaserne neben Rosenborg zeigt. Im Hintergrund einer anderen Aufnahme ist ja auch dieses merkwürdige Halbdach zu sehen, das ein wenig an die Liegehalle von Paulihof erinnert.

Von der Stadt Schleswig ist daher wohl kaum auszugehen.

Wenn dagegen vom Landesteil Schleswig die Rede ist, so ist damals auch im dänischen Sinne das seit 1864 okkupierte Gebiet von Rendsburg bis an die Königsau südlich von Kolding die Rede; also dem Herzogtum Schleswig. Schleswig/Slesvig liegt also beiderseits der Grenze. Heute scheinen viele Dänen jedoch als Slesvig nur das Gebiet südlich der heutigen Grenze aufzufassen. Nördlich der Grenze, bis südlich von Kolding ist die Rede von Sønderjylland.

Die seinerzeitige Abstimmungszone von 1920 war allerdings beträchtlich kleiner und umfasste nur eine Handvoll von Ämtern und Gemeinden, wohl südlich von Hadersleben bis zu einer Grenze südlich von Flensburg, also beiderseits der heutigen Grenze. Man kann das sicher genauer recherchieren auf (z.B. Ausgabe 2007-4) und an anderen Stellen.
Ruhe und Ordnung im Rahmen der Wahlhandlung wurde von ausländischen Truppen gesichert.
Ich glaube, da waren italienische Soldaten und wohl auch Franzosen zur Stelle, vor und während der Wahlhandlung. Alle in die Zone ein- und ausreisenden Personen mussten Pässe besitzen. Mein Urgrossvater, der Fischer auf dem schleswiger Holm war, besass auch einen solchen Ausweis, wohl weil er auch auf der Ostsee und der Flensburger Förde fischen konnte; oder vielleicht weil er tatsächlich im Abstimmungsgebiet zu tun hatte?

Wahlberechtigt waren auch Bürger, die in der Abstimmungszone geboren waren. Es entstand dadurch eine regelrechte Völkerwanderung von biblischem Charakter insbesondere nach Flensburg. Von dänischer Seite wollte mann sich die jütische Metropole nicht entgleiten lassen und von deutscher Seite betrachtete man die Grenzstadt als deutsch….

Glücklicherweise lief das alles wohl friedlich ab, beschränkte sich auf Fahnen- und Sängerduelle sowie Propaganda-Tiraden, vielleicht nicht zuletzt Dank der ausländischen Truppepräsenz?

Dass der dänische König den Franzosen seine Aufwartung machte, ist daher nicht überraschend. Dass das in Kopenhagen geschieht, ist allerdings interessant. Es gibt reihenweise Bilder und Geschichten vom Einzug des Königs in das Herzogtum nach der Abstimmung; z.B. auf seinem bekannten weissen Pferd südlich von Kolding.
Dass er in diesem Zusammenhang allerdings in der Stadt Schleswig gewesen ist, bezweifle ich; er hat sich wohl hübsch nördlich der Grenze gehalten, um nicht zu provozieren. Insgesamt hat man sich in dieser Sache vorbildlich verhalten, und die respektiven Minderheiten nördlich und südlich der Grenze effektiv beschützt und mit Rechten ausgestattet, die auch nach dem Zweiten Weltkrieg wieder bestätigt worden sind (Bonn-Kopenhagener Erklärung von 1953(?)). An vielen Orten in der Welt hat man sich gerade an diesen deutsch-dänischen Grenzreglungen orientiert und verfolgt die Geschichte im Grenzland nach wie vor.

Ganz aktuell wird diese alte Geschichte aber auch noch, wenn man dänisches Engagement von wirtschaftlicher Bedeutung im Landesteil Schleswig betrachtet. Z.B. der Bau der neuen dänischen Schule, als Flaggschiff der Abrüstung oder Entmilitarisierung der Freiheit, wäre ohne die Abstimmung 1920 wohl kaum zustande gekommen. Der Sponsor, Mærsk-Mckinney Møller, betrachtet viele Förderungsanträge, aus dem Grenzland mit Wohlwollen. Ich glaube, dass er sich dem Grenzland und dessen besonderen dänisch-deutschen Kulturerbes sehr verbunden fühlt, da seine Mutter in Flensburg geboren wurde, und eben wohl auch mit grosser Überzeugung an der Abstimmung 1920 teilgenommen hat, obgleich sie in Svendborg auf Fünen sesshaft war. Man kann nur hoffen, dass auch die nächsten Generationen dieser wohlhabenden Familie dem grenzübergreifenden Kulturverständnis sehr positiv gegenüber gestimmt sein werden; immerhin ist Mærsk über 90 Jahre alt!

774 Ansichten

6 Gedanken zu „Kann das angehen?“

  1. Ich glaube,dass man hier Schleswig nicht mit der Stadt Schleswig gleichsetzen kann.
    Hier ist das Konglomerat Schleswig -als eigenständiger Begriff gemeint,das zum Zeitpunkt der Volksabstimmung am 10.02.1920 in zwei Zonen unterteilt war.
    Somit bestand „Schleswig“ (offizielle Bezeichnung) aus dem Stadtkreis Flensburg,und den neun Landkreisen:Apenrade,Eckernförde,Eiderstedt,Flensburg,Hadersleben,Husum,Schleswig,Sonderburg und Tondern.
    Wenn der König denn die Franzosen besucht hat,dann war es sicher in Schleswig-dem Konglomerat-aber in dem Landesteil,der der dänischen Krone nach der Abstimmung zufiel.
    In dem deutsch gebliebenen Teil-und somit auch in der S t a d t Schleswig,hätte man nach der „Schmach von Versailles“ Franzosen nebst dänischem König bestimmt nicht geduldet.

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  2. Mir fällt zu diesem Thema ein, daß – es muß so um 1964 herum gewesen sein – im Schleswiger Dom eine große Trauerfeier für einen Verwandten (?) des damaligen dänischen Königs stattfand und dort auch einige Mitglieder des dänischen Königshauses anwesend waren (ich meine, auch ein Bruder des Königs, der ihm sehr ähnlich sah).

    Kann sich daran jemand entsinnen ?

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  3. So direkt gefragt will ich eher glauben, dass die fragliche Aufnahme aus der Reihe der Bilder aus Kopenhagen stammt; also den Exerzierplatz bei der Kaserne neben Rosenborg zeigt. Im Hintergrund einer anderen Aufnahme ist ja auch dieses merkwürdige Halbdach zu sehen, das ein wenig an die Liegehalle von Paulihof erinnert.
    Von der Stadt Schleswig ist daher wohl kaum auszugehen.
    Wenn dagegen vom Landesteil Schleswig die Rede ist, so ist damals auch im dänischen Sinne das seit 1864 okupierte Gebiet von Rendsburg bis an die Königsau südlich von Kolding die Rede; also dem Herzogtum Schleswi. Schleswig/Slesvig liegt also beiderseits der Grenze. Heute scheinen viele Dänen jedoch als Slesvig nur das Gebiet südlich der heutigen Grenze aufzufassen. Nördlich der Grenze, bis südlich von Kolding ist die Rede von Sønderjylland.

    Die seinerzeitige Abstimmungszone von 1920 war allerdings beträchtlich kleiner und umfasste nur eine Handvoll von Ämtern und Gemeinden, wohl südlich von Hadersleben bis zu einer Grenze südlich von Flensburg, also beiderseits der heutigen Grenze. Man kann das sicher genauer recherchieren auf http://www.slesvigland.dk (z.B. Ausgabe 2007-4)und an anderen Stellen.
    Ruhe und Ordnung im Rahmen der Wahlhandlung wurde von ausländischen Truppen gesichert.
    Ich glaube, da waren italienische Soldaten und wohl auch Franzosen zur Stelle, vor und während der Wahlhandlung. Alle in die Zone ein- und ausreisenden Personen mussten Pässe besitzen. Mein Urgrossvater, der Fischer auf dem schleswiger Holm war, besass auch einen solchen Ausweis, wohl weil er auch auf der Ostsee und der Flensburger Förde fischen konnte; oder vielleicht weil er tatsächlich im Abstimmungsgebiet zu tun hatte?

    Wahlberechtigt waren auch Bürger, die in der Abstimmungszone geboren waren. Es entstand dadurch eine regelrechte Völkerwanderung von biblischem Charakter insbesondere nach Flensburg. Von dänischer Seite wollte mann sich die jütische Metropole nicht entgleiten lassen und von deutscher Seite betrachtete man die Grenzstadt als deutsch….
    Glücklicherweise lief das alles wohl friedlich ab, beschränkte sich auf Fahnen- und Sängerduelle sowie Propaganda-tiraden, vielleicht nicht zuletzt Dank der ausländischen Truppepräsenz?
    Dass der dänische König den Franzosen seine Aufwartung machte ist daher nicht überraschend. Dass das in Kopenhagen geschieht, ist allerdings interessant. Es gibt reihenweise Bilder und Geschichten vom Einzug des Königs in das Herzogtum nach der Abstimmung; z.B. auf seinem bekannten weissen Pferd südlich von Kolding.
    Das er in diesem Zusammenhang allerdings in der Stadt Schleswig gewesen ist, bezweifle ich; er hat sich wohl hübsch nördlich der Grenze gehalten, um nicht zu provozieren. Insgesamt hat man sich in dieser Sache vorbildlich verhalten, und die respektiven Minderheiten nördlich und südlich der Grenze effektiv beschützt und mit Rechten ausgestattet, die auch nach dem Zweiten Weltkrieg wieder bestätigt worden sind (Bonn-Kopenhagener Erklärung von 1953(?)). An vielen Orten in der Welt hat man sich gerade an diesen deutsch-dänischen Grenzreglungen orientiert und verfolgt die Geschichte im Grenzland nach wie vor.

    Ganz aktuell wird diese alte Geschichte aber auch noch, wenn man dänisches Engagement von wirtschaftlicher Bedeutung im Landesteil Schleswig betrachtet. Z.B. der Bau der neuen dänischen Schule, als Flaggschiff der Abrüstung oder Entmilitarisierung der Freiheit, wäre ohne die Abstimmung 1920 wohl kaum zustande gekommen. Der Sponsor, Mærsk-Mckinney Møller, betrachtet viele Förderungsanträge, aus dem Grenzland mit Wohlwollen. Ich glaube, dass er sich dem Grenzland und dessen besonderen dänisch-deutschen Kulturerbes seh verbunden fühlt, da seine Mutter in Flensburg geboren wurde, und eben wohl auch mit grosser Überzeugung an der Abstimmung 1920 teilgenommen hat, obgleich sie in Svendborg auf Fünen sesshaft war. Man kann nur hoffen, dass auch die nächsten Generationen dieser wohlhabenden Familie dem grenzübergreifenden Kulturverständnis sehr positiv gegenüber gestimmt sein werden; immerhin ist Mærsk über 90 Jahre alt!

    Beste Grüsse Jochen

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  4. Hallo Lutz, nee nee, das war noch zu meiner Schulzeit, also um 1964 herum.
    Da war ich selbst vor dem Dom und ein mächtiger Auflauf mit Reportern und der „Nordschau“ ..

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  5. Hallo Torsten-
    dann war es wahrscheinlich Herzog Friedrich Wilhelm zu Schleswig-Holstein-1891 – 1965,der von 1934 bis 1965 Oberhaupt der Linie Schleswig-Holstein des Hauses Oldenburg war.
    Es ist m.E. von daher naheliegend,dass dieser Gottesdienst ihm bei seinem Ableben galt.

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