wiederbelebte Eintrag soll nun nicht diesen Zeiten nachtrauern – wirklich nicht! Aber man kann sich ja mal den Bericht von Elisabeth Stehnike durchlesen, die in dieser Zeit am Polierteich lebte… Karl Kern, geb. 1906, mein Schwiegervater, fuhr zuerst als Heizer und dann als Koch zur See. Die Karte links hat er 1926 aus Buenos Aires geschickt, die Karte rechts ein Jahr später aus Rio de Janeiro.
Das Foto dieser sportlichen Herren hat Karl Kern im Jahr 1924 aus Argentinien geschickt!
Die Bezüge zur WM sind beabsichtigt. Weiter unten ist auch von Argentinien die Rede…
Elisabeth Stehnike wurde 1924 in Buenos Aires geboren.Sie erzählt:
„Meine Eltern, Arthur Stehnike und meine Mutter, Margarethe Schmidt, lernten sich in den frühen 20ern in Hamburg kennen. Mein Vater war bei Stinnes beschäftigt und wurde nach Buenos Aires geschickt und meine Mutter folgte ihm.
Als ich drei Jahre alt war, besuchten wir „Oma“ Stehnike in Schleswig. Wir kehrten dann nach Argentinien zurück. Mein Vater erzählte von seiner Verwundung in Verdun als Offizier der Kavallerie. Meine Mutter Margarethe erkrankte an Tuberkulose. Die Großmutter kam aus Deutschland um sich um uns Kinder zu kümmern, während die Mutter im Krankenhaus lag. Vater suchte vergeblich nach einer Heilstätte für Tuberkulosekranke in Südamerikaund wir entschieden uns dann, sie noch im Dezember 1932 mit dem Schiff nach Deutschland zurück zu bringen. Im Januar, in Hamburg, wurde Mutter sofort in ein Krankenhaus gebracht. Rosy, meine Schwester, kam gleich nach Schleswig, während mein Bruder Hans Jürgen und ich nach Heddernheim bzw. Wiesenau gebracht wurden. Unserer
Mutter ging es zunehmend schlechter. Im November 1933 starb sie. Vater hatte 6 Monate Urlaub von der Hugo Stinnes Gesellschaft und hielt sich in dieser Zeit meistens in Schleswig auf. Er blieb in Deutschland arbeitslos, weil er nicht in die Partei eintreten wollte. So musste er bei Stinnes arbeiten und nach Argentinien zurückkehren. Er wollte uns Kinder so schnell wie möglich nach Argentinien zurück holen, aber daraus wurde nie etwas. Im Januar 1934 kam ich mit dem Zug in Schleswig an. Hans Jürgen und Rosy begrüßten mich in Schleswig auf Platt und ich verstand kein Wort. Opa war ein Mann weniger Worte aber mit aufbrausendem Temperament. Der Winter in Schleswig war wie ein Gemälde von Breugel mit Eis und Schnee überall. Der Teich neben unserem
Garten war gefroren und die Kinder liefen dort jeden Winter Schlittschuh. Im Sommer lernten wir von unserem Opa in der Schlei schwimmen. Damals noch radelte Opa immer zum dunklen Ziegelbau, der Regierung. Er war ein „Amtsmeister“. Der wundervolle große Garten war für mich Erholung und Zufluchtsort.
In der Gallbergschule, gleich hinter unserem Haus, drei Minuten entfernt, unterrichtete Frau Matthiesen. Sie war sehr streng. Die Schleswiger Kinder waren sehr nett und wollten unsere Freunde werden. Die Bauern- und die Fischerkinder wollten lieber unter sich bleiben.
Der Hof bei meinen Großelten war ein wundervoller Spielplatz aber ich bemerkte dann, dass wir für die Großeltern eine Bürde waren. Die Nachbarn waren aber sehr nett. Manche Leute in Schleswig waren auch sehr nett aber manche waren auch sehr gemein und fordernd, besonders wenn man sie nicht ordentlich grüßte oder sonst nicht tat, was sich „gehörte“. In dieser Zeit war ich sehr ängstlich. Frau Matthiesen empfahl mich für das Lyceum. Ich traute es mir aber nicht zu und blieb auf der Volksschule.
Mein Bruder kam im nächsten Jahr auf die Domschule. Als ich zwölf Jahre alt war, kamen mein Onkel Kurt und seine Frau Liesel zu Besuch von New York. Das war für mich eine schöne Zeit. Sie halfen mir bei vielen Sachen. In dieser Zeit sang ich auch im Kinderchor des Doms. Der Kantor hieß Jürgensen. Als ich zwölf Jahre alt war, wurden auf Drängen meiner Großmutter mein Bruder, meine Schwester und ich getauft. Kurz danach, meine Oma wollte es zuerst nicht, trat ich der Nazijugend bei. Es war dort wirklich schön, auch wenn uns dabei die Wunder eingebläut wurden, die der Führer vollbracht hatte. Zwei Jahre später, mit vierzehn kam der BDM.Dort fand ich es so öde, dass ich austrat. Meine Großeltern hatten mit den Nazis nichts am Hut. Der Sonntag war für die Nazis der „Eintopf Sonntag“ weil der Führer kein Fleisch aß. Parteimitglieder gingen herum und guckten in die Töpfe. Das machte meine Oma sehr wütend.
Eine meiner besten Freundinnen war Inge Neumann, sie war Epileptikerin. Die andere beste Freundin war Helma Obermüller, sie starb mit 16 an Diphterie. Vom Führer hielt ich nichts.
1936 oder 1937 mussten wir Schüler an der Flensburger Straße den vorbeifahrenden Führer grüßen. Er hat uns aber nicht beachtet.Ich war keine gute Esserin. Bei Schwarzsauer weigerte ich mich kategorisch. „Frische Suppe“ mochte ich aber sehr gerne. Als ich 12 oder 13 war, musste ich für meine Oma in einer Kneipe nahe dem St. Johanniskloster hartgekochte Möweneier holen. Bei der Kneipe tranken Fischer vom Holm schon zum Frühstück Schnaps und machten sich über mein Profil lustig.
Eines der größten Vergnügungen im Sommer waren Schiffsfahrten nach Missunde. Mit 14 hatte ich die Erlaubnis, mein „Pflichtjahr“ bei Onkel Kurt und Tante Liesel in Wustrow zu verbringen. Es war ein sehr schönes Jahr. Nach diesem Jahr begann eine unglückliche Zeit. Hans Jürgen und Rosy waren, ohne dass ichvorher davon erfuhr, auf ein Internat nach Kassel geschickt worden. Wir schrieben uns, aber Oma öffnete all meine Briefe. Auch das Geburtstagspäckchen von Hans Jürgens und Rosys Internatseltern öffnete sie. Als ich sie bat, das nicht zu tun, wurde sie fuchsteufelswild. Sie wollte nun, dass ich eine Arbeit annahm. Ich wurde zu einem Schreibmaschinenkursus angemeldet. Eigentlich wollte meine Oma, dass ich als Mädchen in einem Haushalt gehen sollte. Sie hasste es, dass ich gerne las und die Bücher liebte.
Der Krieg war schon in meiner Zeit in Wustrow angefangen und Schleswig hatte nun eine große Fliegerkaserne nahe dem St. Johanniskloster. Einige meiner Freundinnen arbeiteten schon da und ermutigten mich, auch dort anzufangen. Mit Omas Zustimmung fing ich dort in einem Schreibbüro an und
hatte viel Spaß. Dort lernte ich Lydia Etzdorf kennen, die mit den holländischen Domorganisten Enno Popkins befreundet war. Durch die Freundschaft mit diesen beiden sang ich dann im Domchor mit. Als Teenager verstand ich mich überhaupt nicht mehr mit meiner Oma. Dann lernte ich Johannes („Hans“) Ratzka aus Sachsen kennen, ein gut aussehender, intelligenter, netter junger Mann. Kurz und gut, wir heirateten in Crimmitschau, wo wir einen Tag zusammen hatten. Dann musste er an die Front nach Russland.
Hans‘ Eltern nahmen mich freundlich auf und es begann eine bessere Zeit für mich. Aber eines Tages kam die Nachricht, dass er am Dnjepr gefallen war. Er war einziger Sohn…“ Admin: Hier breche ich die Erzählung ab. Elisabeth heiratete 1947 einen amerikanischen Soldaten und ging in die USA. Sie starb im Oktober 2011. Ich habe versucht, das Schleswig betreffende Leben in verkürzter Form sinngemäß wiederzugeben. Dieses hier ist die Webseite (die ist offenbar nicht mehr da…).
Harro Brodersen: Moin, dieser Artikel ist ja so interessant! Meine Mutter, Anna Catharina Brodersen, geb. Hansen aus der Fischbrückstraße, auch im Domchor, war mit ihr befreundet. Es war am Kattsund und ich weiß, dass dort sogar Heinz Reincke, der damals ins Schleswig am Theater anfing, oft dort zu Gast war. Im Jahre 1981 war sie mit einigen Abkömmlingen (Tochter?) in Schleswig und hat auch uns in Hamburg besucht. Ich erinnere mich gerne daran, es war am Tag der Trauung von Prinz Charles und Diana, ein Tag vor unserer Hochzeit. Der Kontakt wurde allerdings nicht aufrecht erhalten.
1.849 Ansichten
Moin,
dieser Artikel ist ja so interessant, meine Mutter, Anna Catharina Brodersen, geb. Hansen aus der Fischbrückstraße, auch im Domchor war mit ihr befreundet. Es war am Kattsund, und ich weiß, dass dort sogar Heinz Reincke, der damals ins Schleswig am Theater anfing oft dort zu Gast war.
Im Jahre 1981 war sie mit einigen Abkömmlingen (Tochter ?) in Schleswig und hat auch uns in Hamburg besucht. Ich erinnere mich gerne daran, es war am Tag der Trauung von Prinz Charles und Diane, ein Tag vor unserer Hochzeit.
Der Kontakt wurde allerdings nicht aufrecht erhalten.
Harro Brodersen